Bei Peter-Jörg Splettstößer spielt das Fenster als Bindeglied von Innen- und Außenwelt eine bedeutende Rolle. Es dient jedoch nicht zur Projektion des Imaginären und Unbekannten, sondern ist der sichtbare Ausschnitt der ihn umgebenden Realität. Akribisch hält der Maler seine Beobachtung beim Herausschauen auf der Leinwand fest, ist dabei kein Motivsucher, bewertet nicht. Seine Konzentration gilt dem konkret Visualisierten: »Wichtig ist immer, was mir gegenüber steht.«1
In Werken wie Mit Fenster (Worpswede) von 2014 begrenzt Splettstößer den Fensterausschnitt zusätzlich, indem er ein mit Papieren abgeklebtes Raster davor stellt; bloß eines der quadratischen Elemente ist jeweils geöffnet und gibt den fragmentarischen Blick auf die Umgebung frei. Ist das Gesehene auf das entsprechende Feld der ebenso gerasterten Leinwand übertragen, wird das Quadrat geschlossen, das nächste geöffnet. Dieses Aneinanderfügen, das sich in den leicht versetzten Übergängen der Bildteile zeigt, betont die einzelnen Elemente in der Gesamtkomposition.
Splettstößers Fensterbilder spiegeln seit Ende der 1990er Jahre seine Auseinandersetzung mit der Darstellbarkeit sich stets wandelnder Realitäten und verschiedener Wahrnehmungsebenen wider: Er erfasst die Zeit, indem er die Veränderung von Licht, Farbe und Bewegung in konzentrierten Sequenzen einfängt und diese gleichberechtigt nebeneinander stellt.
Die Suche nach authentischer Farbgebung beschäftigt den Künstler ebenso intensiv wie die Trennung von Farbe und Form. In dem 2013 entstandenen Bild Ohne Titel (Fenster) wird die Bleistiftzeichnung eines Fensterausschnitts einem gefleckten Farbfeld gegenübergestellt. Bei den Flecken handelt es sich um keine gezielte Komposition, ihre Anordnung und ihre Farbigkeit beruhen auf zufälligen Nebenprodukten seiner Arbeit: Splettstößer nutzt die beim Abstreifen des Pinsels auf Papier willkürlich entstandenen Muster wie Skizzen, die er malerisch in seine Bilder integriert.
Die Schichtungen von Farbe und Form in Blick aus dem Fenster 1 (Worpswede) von 2014 ist die aktuelle Weiterentwicklung seiner Fensterbilder.2 Der ungerasterte Blick aus seinem Atelierfenster ist durch klar abgegrenzte Farbflächen definiert, die teilweise von Linien und Flecken überlagert sind. Wie in den älteren Arbeiten ist die Wahl der Farbe entscheidend: Splettstößer bemüht sich stets um die Wiedergabe der originalen Farbigkeit, sucht den ›Lokalton‹. Für ihn steht die Aussage Giacomettis: »Die Wirklichkeit ist für mich nie ein Vorwand für das Schaffen von Kunstwerken gewesen, sondern die Kunst ein notwendiges Mittel, um mir ein wenig besser darüber klar zu werden, was ich sehe.«3

 

1) Peter-Jörg Splettstößer im Gespräch mit der Autorin im Atelier des Künstlers, Worpswede 16.12.2014
2) Ursächlich habe den Anstoß zu dieser Weiterentwicklung seine zeichnerische Tätigkeit gegeben (Peter-Jörg Splettstößer im Gespräch mit der Autorin im Atelier des Künstlers, Worpswede 16.12.2014). Zu den Zeichnungen auch Peter-Jörg Splettstößer. Nordlicht. Zeichnungen 2011–2014, Katalog zur Ausstellung im Haus am Wasser, Bremen-Vegesack (18.–22.10.2014), Rasch Druckerei und Verlag, Bramsche 2014
3) Alberto Giacometti, Paris 17.05.1959. Zitiert nach Ders., Zitiert nach Christoph Vitali (Hrsg.), Alberto Giacometti, Werke und Schriften, Katalog zur Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt (06.10.1998–03.01.1999), Frankfurt am Main 1998, Seite 182

Splettstößer - Mit Fenster (Worpswede), 2014

Mit Fenster (Worpswede), 2014    

Splettstößer - Leinwandgespräch (2), 2012

Leinwandgespräch (2), 2012  

Splettstößer - Blick aus dem Fenster 1 (Worpswede), 2014

Blick aus dem Fenster 1, 2014